Videoüberwachung Ja aber mit Mass

Dario Sulzer, Polit TalkDario Silzer, Polit Talk erschienen Wiler Nachrichten 22/2010

In Wil sollen für 658’000 Fran­ken insgesamt 17 Überwachungs­kameras installiert werden. Vor allem der Bahnhofplatz und die Fussgängerzone Obere Bahnhofs­trasse sollen überwacht werden.

Diese Investition löst jährliche Folgekosten von 85’000 Franken aus! Das ist in Zeiten rückgängi­ger Steuereinnahmen viel Geld.

Umso mehr würde man in der stadträtlichen Vorlage harte Fak­ten vermuten, die den Wunsch nach mehr Bürgerüberwachung untermauern. Doch weit gefehlt.

Die Vorlage ist das Wunschkon­zert eines Sicherheitschefs, der die massiven Eingriffe in die Grundrechte der Menschenwürde und den Schutz der Privatsphäre nicht erklären kann. Dabei wäre eine vertiefte Auseinanderset­zung mit der heiklen Thematik ein Muss.

 

Ja zur Videoüberwachung in der Bahnhofunterführung

Im Rahmen der öffentlichen Mit­wirkungsphase zum Stadtent­wicklungskonzept zeigte eine Umfrage bei 100 Jugendlichen, dass sich neun von zehn in Wil wohl fühlen, doch fühlen sich vor allem junge Frauen in den Abend­und Nachtstunden am Bahnhof unsicher. Eine Überwachung der Bahnhofunterführung ist also nachvollziehbar, auch wenn da­durch nur das subjektive Sicher­heitsempfinden erhöht wird. Ob der Bahnhof dadurch auch objek­tiv ein sicherer Ort wird, ist eine andere Frage.

Videoüberwachung muss im öf­fentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Die vorge­sehene Überwachung der Oberen Bahnhofstrasse erfüllt diese Vor­aussetzungen nicht und ist daher abzulehnen. Oder fühlen Sie sich in der Fussgängerzone unsicher?

Die Überwachung hier entspricht wohl eher einem Wunsch der La­denbesitzer. Selbstverständlich sind Sachbeschädigungen und Diebstähle nicht akzeptabel und polizeilich zu verfolgen. Aber wollen wir wirk­lich 658’000 Franken inves­tieren, um eine Situation zu ver­bessern, wo gar kein Handlungs­bedarf besteht?

Alternativen prüfen

Die Verhältnismässigkeit der ge­planten Investitionen muss in Wil stark angezweifelt werden. Damit eine Videoüberwachung verhält­nismässig ist, muss gemäss EJPD erwiesen sein, dass sich durch die Videoüberwachung der ange­strebte Zweck der Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum erreichen lässt. Ausserdem muss die Videoüberwachung erforder­lich sein, das heisst, die angestreb­ten Ziele dürfen nicht mit einer gleich geeigneten, aber milde­ren Massnahme erreichbar sein. Denkbar wären hier beispiels­weise bauliche Massnahmen, der Ausbau von mobiler Jugend­arbeit, Konfliktprävention im öf­fentlichen Raum oder vermehrte Patrouillen durch die Polizei.

Öffentliche Plätze werden nicht sicherer

Doch Stadtrat Andreas Widmer hielt es leider nicht für nötig, sol­che Alternativen zu prüfen. Die In­stallation von Videokameras ist zu einem rein politischen Entscheid verkommen, weil die Wirkung die­ser teuren Investitionen schlicht nicht nachgewiesen werden kann. Der eidgenössische Datenschüt­zer Hanspeter Thür findet klare Worte, betreffend der Wirksam­keit von Überwachungskameras: «Es ist plausibel, dass man in sen­siblen Bereichen mit Videokame­ras ein Ereignis rekonstruieren kann. Man darf sich aber nicht der Illusion hingeben, dass diese Orte sicherer würden.» Dario Sulzer, Mitglied Stadtparlament, SP, Wil

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