Die öffentliche Parteiversammlung war gut besucht. Kein Wunder, denn am 28. November stimmen wir über drei wichtige Verfassungsvorlagen ab.
Den Steuerwettbewerb bändigen
SP-Stadträtin und Kantonsrätin Barbara Gysi hielt die erste Rede über die Steuergerechtigkeitsinitiative. Diese verlangt, dass für sehr hohe Einkommen und Vermögen ein Mindeststeuersatz von 22 Prozent bzw. 5 Promille gelten soll. In ihrer Rede zeigte Barbara Gysi eindrücklich auf, wie schädlich der ungebändigte Steuerwettbewerb für Kantone und Gemeinden ist. Nur die Superreichen könnten dorthin zügeln, wo’s gerade am günstigsten sei. In Steueroasen werde die Landschaft verschandelt und die Miete unerschwinglich.
Leidtragende seien Arbeitnehmende und KMU, die nicht einfach auf die Schnelle umziehen könnten. Die Initiative betreffe nur 1 % der Bevölkerung. Profitieren würden hingegen 99 %. Es sei reine Propaganda, dass die Steuern für den Mittelstand ansteigen würden. Im Gegenteil werde Steuerdumping verunmöglicht und die Solidarität zwischen den Kantonen gestärkt. In der Diskussion wurde bald einmal klar, dass die Meinungen der Anwesenden gemacht sind. So beschloss man, bis am 28. November noch engagiert für ein Ja zu fairen Steuern zu werben.
Nein zur extremen Ausschaffungsinitiative
Anschliessend stellte SP-Kantonsrat Fredy Fässler die Ausschaffungsinitiative und den Gegenvorschlag vor. In seinem engagierten Votum legte er dar, dass es nicht darum gehe, Ja oder Nein zu Ausschaffungen zu sagen. Solche würden schon heute durchgeführt, die Praxis sei hart. Die Initiative sei hingegen extrem. Sie würde dazu führen, dass zum Beispiel ein in der Schweiz geborener 16-jähriger Secondo, der 2 Gramm Cannabis verkauft hat, automatisch ausgeschafft würde.
Bewusst würden Grundrechte und rechtsstaatliche Prinzipien verletzt. Das treffe auf den Gegenvorschlag zwar nicht zu. Auch dieser sehe aber eine äusserst harte Regelung vor, die zu einer noch härteren Gerichtspraxis führen werde. Es sei unsolidarisch, Menschen, die hier aufgewachsen seien, nach einer Straftat keine zweite Chance zu gewähren.
Der Integrationsartikel des Gegenvorschlags
Anschliessend referierte Beda Meier, der Leiter des Kompetenzzentrums Integration des Kantons St. Gallen. Er fühle sich wie in den 70er Jahren, zu Zeiten der Schwarzenbach-Initiative. Wieder einmal würden Ängste der Bevölkerung geschürt und bewirtschaftet. Erfolgreiche Integration sei möglich und kein Zufall, benötige aber Anpassungsleistungen von MigrantInnen, Einheimischen und Institutionen. Von den Einwanderern verlange man sehr viel. Die einheimische Bevölkerung müsse im Gegenzug auch bereit sein, Grundrechte wie etwa die Religionsfreiheit allen Menschen zu gewähren. Wichtig sei, dass die Institutionen stärker in die Pflicht genommen würden.
Das heutige Ausländergesetz sehe Bestimmungen zur Integration vor, sei aber zu unverbindlich. Der Integrationsartikel des Gegenvorschlags schaffe diesbezüglich eine Verbesserung. Deshalb, aber auch weil die Annahme der extremen Initiative verhindert werden müsse, legte Beda Meier den Anwesenden nahe, dem Gegenvorschlag zuzustimmen.
Heisse Diskussionen und eigene Parole
Es folgte eine intensive politische Debatte. Man sah, dass die SP eine breite Partei ist, in der die Leute gerne diskutieren und wo es auch Raum gibt für unterschiedliche Ansichten. Ein Teil der Anwesenden vertrat die Auffassung, man müsse dem Gegenvorschlag zustimmen. Dieser respektiere die Grundrechte. Es gelte, Schlimmeres zu verhindern und die Integration zu fördern. Andere meinten, der Gegenvorschlag sei eigentlich eine „Ausschaffungsinitiative light“.
Ein Integrationsartikel in der Verfassung sei wünschenswert, rechtfertige es aber nicht, die eigenen Prinzipien nicht über Bord werfen. Nach kontroverser Diskussion wurde beschlossen, eine eigene Parole zu fassen. Die SP Wil empfiehlt ein doppeltes Nein zur Ausschaffungsinitiative und zum Gegenvorschlag. Eine Minderheit der SP Wil sagt insbesondere aus abstimmungstaktischen Überlegungen Ja zum Gegenvorschlag. Einig waren sich alle Anwesenden darüber, dass es enorm wichtig sei, bei der Stichfrage den Gegenvorschlag anzukreuzen.