WIL, Dario Sulzer wird «höchster Wiler»
Interview: Walter Sutter, Wiler Nachrichten
Anlässlich der 1. sitzung des stadtparlaments in der amtsdauer 2009-2012 von heute, donnerstagabend, wird dario sulzer, sP, zum Parlamentspräsidenten und damit für ein Jahr zum «höchsten Wiler» gewählt.
Die Wiler Nachrichten stellten dem designierten Parlamentspräsidenten Dario Sulzer im Vorfeld der Parlamentssitzung ein paar Fragen.
Wann stiegen Sie in die Politik ein?
Seit 2001 bin ich Mitglied des Wiler Stadtparlaments. Als man mich im Jahr davor für eine Kandidatur anfragte, brauchte ich etwas Bedenkzeit. Ich engagierte mich bis dahin zwar an einzelnen Unterschriftensammlungen für nationale Initiativen, an der städtischen Politik war ich jedoch wenig interessiert. Aber je länger ich dabei bin, desto mehr hat es mich gepackt.
Was bedeutet für Sie das Amt des Präsidenten im Wiler Stadtparlament?
Es ist für mich eine sehr ehrenvolle Aufgabe, dieses Amt für ein Jahr zu übernehmen. Als „höchster Wiler“ wird sich mein politischer Einfluss aber in Grenzen halten.
Was sind die wichtigsten Geschäfte im Parlament, mit denen Sie sich im kommenden Jahr auseinandersetzen müssen?
Im Frühling wird das Stadtentwicklungskonzept beraten, womit wir die Weichen für die nächsten 10 bis 20 Jahre stellen werden. Im Sommer werden wir die Grundsatzfrage diskutieren, ob wir mit der Nachbargemeinde Bronschhofen fusionieren sollen. Und in der zweiten Jahreshälfte rechne ich mit der Bauvorlage für den Sportpark Bergholz. Dieses 50 Millionen-Projekt wird uns stark beschäftigen.
Der Parlamentspräsident hat erfahrungsgemäss auch zahlreiche Repräsentationspflichten. Gehen Sie gerne «unter die Leute»?
Es ist Aufgabe des Präsidenten, das Stadtparlament nach Aussen zu vertreten. Ich freue mich, Anlässe zu besuchen, an denen ich zuvor noch nie war und Vereine kennenzulernen, die ich vorher nicht kannte. Ich werde in diesem Jahr jedoch auch mein Studium in Luzern abschliessen. Kann sein, dass ich deshalb auch mal eine Einladung ausschlagen muss.
Sie werden am 8. Januar 2009 das Präsidium übernehmen. Haben Sie nicht ein wenig Lampenfieber vor ihrem ersten Auftritt?
Ein bisschen Nervosität ist wohl ganz normal. Es wird bestimmt ein sehr spezielles Gefühl, wenn ich den Platz des Präsidenten einnehmen werde. Ich hoffe, dass man mir die Freude und weniger das Lampenfieber ansehen wird.
Wieviel Zeit müssen Sie für die Vorbereitung einer Parlamentssitzung einplanen?
Als Präsident führe ich die Sitzungen und bin darauf bedacht, dass die Parlaments- und Präsidiumssitzungen möglichst geordnet und formal korrekt ablaufen. Das bedeutet, dass ich mir vor allem verfahrenstechnische Überlegungen machen muss, was zusätzliche Vorbereitungszeit beansprucht. Aber ich bin ja nicht alleine und kann jederzeit Stadtschreiber und Vizepräsident konsultieren.
Haben Sie sich als Vizepräsident bereits ein wenig einarbeiten können?
Ich bin nun seit acht Jahren Mitglied des Parlaments und war bereits als Fraktionschef Mitglied des Präsidiums. Ich denke, ich bin gut vorbereitet. Natürlich war die Zeit als Vizepräsident wichtig, nie ist man sonst so nah an der Ratsführung dran.
Normalerweise nimmt der Präsident nicht an den Debatten teil. Werden Sie sich auch einmal von ihrem Vize vertreten lassen, um ans Rednerpult zu gehen?
Ich denke nicht. Im Präsidialjahr ist weniger meine persönliche Meinung gefragt. Ich führe die Sitzungen und achte auf die Einhaltung der parlamentarischen Ordnung. Aber wer weiss, wenn ich mich doch mal vertreten lassen muss, weiss ich die Ratsführung mit dem Vizepräsidenten in guten Händen.
Welche Bereiche sind Ihnen als SP-Politiker besonders wichtig?
Ich bin viel mit dem Velo unterwegs. Ich bin daher auf die Stellungsnahme des Stadtrates zur Volksinitiative «Velofreundliches Wil» gespannt. Die jetzige Situation in der Stadt ist für Velofahrende ungenügend. Persönlich ist mir die Kultur ein besonderes Anliegen. Die Stadt hat gerade die Lokremise gekauft und zeigt sich so offen auch für neue und junge kulturelle Bedürfnisse.
Als Gewerkschafter setze ich mich auch für gerechte und faire Arbeitsbedingungen ein. Ich finde es stossend, wenn Topmanager 300 Mal mehr verdienen als ein normaler Angestellter. In wirtschaftlich guten Zeiten sollen alle Angestellten profitieren, und jetzt in Zeiten der Finanzkrise sollen Verluste nicht einfach sozialisiert werden können!
Weiter ist mir die Mitsprache der Bevölkerung besonders wichtig. Meiner Meinung nach, muss beispielsweise bei der Frage der geplanten Fusion mit Bronschhofen die echte Beteiligung der Bevölkerung oberste Priorität haben. Die Stadt sollte sich Partizipation auf die Fahne schreiben und vor allem die junge Generation mitbestimmen lassen. Wenn ich als junger Parlamentspräsident da eine Lanze brechen und die jungen Bürgerinnen und Bürger aktivieren kann, würde mich das freuen.
Welches Ereignis hat Sie in Ihrer politischen Karriere am meisten beeindruckt – positiv, negativ?
Noch heute ist mir die Debatte um die Verselbständigung der Technischen Betriebe in Erinnerung. Der Stadtrat wollte die TBW in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft überführen. Die SP hat sich stark gegen diese Pläne ausgesprochen, und auch das Parlament ist damals in zweiter Lesung nicht auf das Geschäft eingetreten. Heute sind die TBW ein hoch rentables Unternehmen mit guten Dienstleistungen. Ich bin froh, dass wir die Kontrolle nicht aus der Hand gegeben haben und die Gewinne nicht privatisiert wurden. Mit etwas Sorge beobachte ich in letzter Zeit die zunehmend härtere Gangart im Stadtparlament. Anstatt dass die Sache im Vordergrund steht, kann es vorkommen, dass politische Gegner persönlich attackiert oder lächerlich gemacht werden. Wir müssen wieder zu einer respektvollen Kommunikation zurückfinden.
Haben Sie ein politisches Vorbild?
Nein, ich könnte mich da nicht festlegen. Aber es gibt durchaus Personen – keine Politiker zwar – deren kritische Meinung ich oft teile. Ich mag zum Beispiel den Schriftsteller und Satirik
er Georg Kreisler und seinen oftmals schwarzen Humor sdowie seine kompromisslose Kritik an Gesellschaft und Politik oder die Analysen des Publizisten Roger de Weck oder die Karikaturen von Felix Schaad. Die Politik braucht genaue Beobachter und scharfe Kritiker.
Was wünschen Sie sich für das kommende Präsidialjahr?
Das Stadtparlament soll wieder besser von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Der Kontakt zur Bevölkerung ist essenziell, schliesslich sind wir ihre gewählten Volksvertreter. Das Parlament sollte weniger polarisieren und sich auf die Sache konzentrieren. Klare Aussagen werden von der Bevölkerung verstanden – Belehrungen und Anfeindungen hingegen nicht.
Ich wünsche mir, dass das Parlament eigenständiger agiert, die Stadt mitgestaltet und vom Stadtrat als gleichwertiger Partner angesehen wird. Das braucht Mut. Den vermisse ich manchmal etwas in unserer Stadt.
Stellen Sie Ihr Präsidialjahr unter ein spezielles Motto?
Das Wiler Stadtparlament feiert dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Dieses Jubiläum wird uns bestimmt durch das Jahr begleiten. Wil hat ein relativ grosses Parlament, wo auch kleine Parteien ihren Platz haben. Diese Errungenschaft gilt es zu würdigen und zu verteidigen.
Welche Lebensweisheit hat für Sie eine zentrale Bedeutung?
Es ist vielleicht keine Lebensweisheit, aber ich mag ein Zitat von Perikles: „Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.“ Ich meine nicht, dass sich alle für ein politisches Amt bemühen sollen. Aber ich finde, dass jede Bewohnerin und jeder Bewohner ihren Beitrag für eine lebenswerte Stadt leisten sollte. Das kann sein, dass man in einem Verein mitwirkt oder den Laternen- oder Fasnachtsumzug besucht und so Wiler Brauchtum unterstützt. Oder man kann seinen Beitrag leisten, indem man ganz einfach an Abstimmungen und Wahlen teilnimmt. Denn ich denke, es ist das Interesse an der Stadt und ihren Themen, die erst einen konstruktiven Dialog zwischen Volk und Behörden ermöglichen und Wil noch lebenswerter machen. Wir alle sind die Stadt Wil.
Interview: Walter Sutter