Der Leitartikel „Wir sind kein Pack“ von Charly Pichler hat mich enttäuscht und aufgeregt. Vorneweg: auch ich vertrete selbstverständlich die Ansicht, dass Sicherheit und Sauberkeit in der Stadt Wil gewährleistet sein müssen. Gerade das zunehmende Littering ist ein echtes Problem, nicht nur am Bahnhof, nicht nur in Wil. Wir alle, natürlich auch die Politik und die Polizei, sind hier gefordert. Darum geht es dem Journalisten aber offenbar gar nicht. Seine Absicht scheint vielmehr darin zu liegen, es diesen Alkies, Drögelern und Punks vom Bahnhof einmal so richtig zu zeigen. Er wirft ihnen „kaum kaschiertes Schmarotzertum“ vor. Er behauptet, der „Rückenvirus“ grassiere „gar arg im Clochard-Genre“. Er schreibt: „Höflich mit dem Pack? Mit Seide näht man keinen groben Sack!“. Und er nennt diese Menschen das „Bahnhofpack“. Das geht zu weit. Das ist herabwürdigend und menschenverachtend. Keinen Satz liest man darüber, weshalb diese Menschen abgestürzt sind. Kein auch nur halbwegs mitfühlendes Wort zu ihrer Biographie und ihren Schicksalsschlägen. Schon gar nichts darüber, was man tun könnte, damit nicht immer mehr Menschen an den Rand unserer Gesellschaft gedrängt werden. Weshalb hat die Zeitung diesen unsäglichen Artikel gedruckt, samt Fotos der derart diffamierten Menschen? Die Vermutung drängt sich auf: weil Polemik und Persönlichkeitsverletzungen Auflage bringen (siehe Blick). Weil man so teurere Inserate verkauft und mehr Profit macht. Wer ist da jetzt in Wahrheit der Schmarotzer? Ist es wirklich der Mensch, der zum Randständigen geworden ist und sich am Bahnhof mit Kollegen trifft, weil auch er ein Bedürfnis nach Gesellschaft hat? Oder ist es nicht eher die Zeitung, die auf Kosten der Schwächsten der Gesellschaft ihren Gewinn steigern will? Diese Fragen sollten sich der Journalist und die Gesamtredaktion einmal stellen. Es wäre schön und richtig, wenn der Journalist zum Schluss käme, dass er zu weit gegangen ist. Und wenn die Wiler Nachrichten sich bei den verleumdeten Menschen entschuldigen würden. Im Minimum aber sollte die Zeitung in Zukunft bitte darauf verzichten, solche fiesen Machwerke zu veröffentlichen.
Kilian Meyer
Präsident SP Wil
Konstanzerstrasse 4
9500 Wil
