Medienmitteilung der SP Wil vom 28.1.2012
Das für die Schweiz beschämende Abstimmungsresultat zur Anti-Minarett-Initiative vor zwei Jahren hat gezeigt, dass in weiten Teilen der Bevölkerung ein zumindest untergründiges Unbehagen gegenüber dem Islam vorhanden ist. Dieses Unbehagen hat sich mit dem Abstimmungsergebnis nicht erledigt. Es ging nicht wirklich um die konkrete Frage, ob Minarette gebaut werden dürfen – das war eine Stellvertreterdiskussion.
Die SVP-Wil versucht nun, mit ihrem Protest gegen das geplante islamische Begegnungszentrum eine neue Stellvertreterdiskussion zu lancieren. Es geht der SVP nicht darum, die Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen und vernünftige Antworten auf die dahinterstehenden Herausforderungen zu geben. Nein, die SVP schürt die Glut zusätzlich und macht mit dem von ihr organisierten Widerstand gegen das Bauvorhaben billigen Wahlkampf. Das ist schade und kontraproduktiv. Die öffentliche Sicherheit wird nicht durch die friedliche Islamische Gemeinschaft Wil gefährdet, die gerne eine würdige Gebetsstätte bauen möchte. Gefährlich handeln vielmehr jene, die seit Jahren eine aggressive Politik der Ausgrenzung betreiben und damit gezielt Leute an den Rand unserer Gesellschaft drängen.
Die Sozialdemokratie vertritt insbesondere die Interessen der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft. Sie verstand und versteht sich deshalb immer auch als Anwältin der Migrantinnen und Migranten. Die SP wehrt sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und populistische Stimmungsmache. Die SP setzt sich für Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Kulturen und ihren Lebensweisen ein. Das Recht, die eigene Religion frei ausüben zu können, ist ein wichtiger Teil unserer verfassungsmässigen Ordnung. Dazu gehören auch die entsprechenden Kultusstätten mit ihren Symbolen. Dazu gehört nach der klaren Meinung der Wiler SP auch die geplante Begegnungsstätte im Südquartier.
Die Gewährleistung der verfassungsrechtlichen Religionsfreiheit trifft dort auf Einschränkungen, wo religiös abgestützte Lebens- und Verhaltensweisen andere Grundrechte und Gesetze tangieren. Diese Grundregel gilt selbstverständlich für alle Religionsgemeinschaften. Dies bedeutet aber auch, dass für den Islam kein strengerer Massstab angelegt werden darf als für andere Religionen. Es ist scheinheilig und unglaubwürdig, wenn sich die SVP neuerdings als Hüterin der Frauenrechte aufspielt. Eine konservative Partei, die seit jeher die Emanzipation der Frau bekämpft, und der die Menschenrechte oft gleichgültig sind – besonders wenn sie Minderheiten schützen. Es ist grotesk, wenn nun rechtskonservative Kreise den muslimischen Männern und Frauen vorwerfen, dass sie getrennt beten. Ist denn die Gleichberechtigung von Mann und Frau beispielsweise in der katholischen Kirche voll verwirklicht?
Die SP erwartet von allen MigrantInnen, dass sie unserer europäischen, laizistischen und pluralistischen Lebensweise offen und tolerant gegenüberstehen, dass sie an unserem gesellschaftlichen Leben teilnehmen sowie unsere Rechtsordnung anerkennen und respektieren. Integration kann nur in einen dialogischen Prozess zwischen MigrantInnen und hier ansässiger Bevölkerung gelingen. Dieser hat aber nur Chancen, wenn sich beide Seiten darum bemühen. Die Islamische Gemeinschaft Wil verhält sich diesbezüglich durchaus vorbildlich. Die Integration setzt indessen zwingend auch eine gewisse Offenheit und Toleranz der schweizerischen Bevölkerung voraus. Daran müssen wir in der Stadt Wil in der Zukunft noch arbeiten. Die Wiler SP Wil wird sich um einen konstruktiven Dialog bemühen.