© Wiler Zeitung; 03.05.2012; Seite 41
Das Menu zum roten Feiertag
BAZENHEID. Älplermagronen mit Zwiebeln – oder Kartoffelsalat mit Wienerli. Das Menu auf dem Teller konnten sich die Mitglieder der SP Toggenburg und der SP Wil zur Feier des 1. Mai selbst komponieren. Nur: An den Revers und auf den Blusen der Parteigänger klebten mehr rote Festabzeichen, als Portionen in der Pfanne dampften. Nun, da sich dies eine Partei mit dem Leitspruch «Für alle statt für wenige» kaum leisten kann, liess sich die Küche der «Traube» im Bräägg nicht lumpen und sorgte rasch für Nachschub.
Künstlicher Schnee
Das Menu auf der hölzernen Bühne, das geistige und deshalb eigentliche Festmahl zum Tag der Arbeit, wurde den Sozialdemokraten fixfertig serviert. Zum Apéro: leicht und luftig, Grussworte der Parteipräsidenten Kilian Meyer, Wil, und Hansheiri Keller, Toggenburg.
Zur Vorspeise: Drei Texte von Drehbuchautor und Schriftsteller Charles Lewinsky («Fascht e Familie», «Gerron»), noch unveröffentlicht und gelesen von ihm selbst. Kreativ und lustvoll angerichtet zwar, doch schwer verdaulich, da «mögliche Zukünfte der Schweiz» skizzierend. In einem Szenario, einem Nachruf, rettet Mitte des 21. Jahrhunderts der Dübendorfer Tüftler Walter Kuster die Eidgenossenschaft. Zu einer Zeit, da Gletscher nur noch in der Erinnerung der Älteren eingefroren sind, erfindet Kuster den künstlichen Schnee. Nur die Verbesserung, von dem der gefeierte Held immer geträumt hatte, gelang ihm nicht mehr. Der Trauernde meint versöhnlich: «Blau ist doch auch eine schöne Farbe.»
Ein anderes Szenario, ein Schulaufsatz und «ein Text, den ich an einer SVP-Versammlung nicht vorlesen würde», wie Lewinsky vorwarnte, zeichnete ein insbesondere für die Sozialdemokraten noch düsteres Kapitel utopischer Landesgeschichte. Ein Bub muss am Mittwochnachmittag auf die obligatorische Schulreise. Sie führt nach Rhäzüns, zur Burg und ins Mausoleum. Hanspi, sein Freund, aber eben ein Dissident, darf nicht mit. In Einerkolonne schreiten die Schüler am steinernen Sarg vorbei. Da drin liegt «der Blocher». Nach Wiederwahl in den Bundesrat und Ernennung zum Präsidenten auf Lebenszeit wurde ihm ein standesgemässes Grabmal errichtet.
Echte Sorgenfalten
Dann das Dessert, eher rezentes Chäsplättli denn süsses Mousse: Nationalrätin Barbara Gysi mit einem Plädoyer für «mehr Schutz, mehr Lohn, mehr Rente». Die Anrufung der Ventilklausel sei ein Placebo, «dieser Schritt beschert uns Probleme mit der EU, nützt aber im Kampf gegen Lohndumping nichts.» Wichtiger seien Sanktionen gegen fehlbare Unternehmen. Ebenso gegen Topsaläre von Topmanagern: «Wir brauchen höhere Löhne im unteren und mittleren Bereich» – die Mindestlohn-Initiative sei eingereicht. Auch bei den Renten zeigt Barbara Gysi Sorgenfalten: 3000 oder 3500 Franken pro Monat seien «sehr knapp» und der Bundesverfassung – «Fortsetzung der bisherigen Lebenshaltung» – könne nicht nachgelebt werden. Ein wenig erinnert dies an das Bild eines halbleeren Topfs, in dem es nicht mehr genug für alle hat.
Mario Fuchs