Sparen bei städtischen Mitarbeitenden mit Kindern: sinnvoll und zulässig?

Die Interpellation wurde im Wiler Stadtparlament am 5.12.2014 von Kilian Meyer, SP Fraktion, eingereicht.

Sparen bei städtischen Mitarbeitenden mit Kindern: sinnvoll und zulässig?

Der Stadtrat hat die städtischen Mitarbeitenden mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 über Sparmassnahmen im Personalbereich informiert. Eine der vorgesehenen Massnahmen ist, dass bereits ab Januar 2015 die «Rahmenbedingungen» für den Zuschlag zur Kinder- und Ausbildungszulage geändert werden sollen. Der Zuschlag von Fr. 100. pro Kind soll bei Teilzeitmitarbeitenden neu nur noch im Verhältnis zum Beschäftigungsgrad gewährt werden (pro rata), und er soll auf Einkommen bis maximal Fr. 100’000. begrenzt werden.

Diese Sparmassnahme ist in verschiedener Hinsicht problematisch:

  • Rechtliche Sicht: Die Massnahme widerspricht einem Beschluss des Stadtparlaments vom 2. November 2006, der heute in Art. 47 des Personalreglements (PersR) festgehalten ist. Die Höhe des Zuschlags zur Kinder- und Ausbildungszulage wird zwar vom Stadtrat festgelegt (Abs. 3). Das beinhaltet aber nicht das Recht, den Zuschlag für Mitarbeitende mit Einkommen über Fr. 100’000. einfach zu streichen. Noch krasser und offensichtlicher ist die Kompetenzverletzung bei Teilzeitbeschäftigten. Diese betreffend wird in Art. 47 Abs. 2 PersR ausdrücklich festgehalten, dass der Zuschlag nach den Bestimmungen des kantonalen Kinderzulagengesetzes ausgerichtet wird (KZG, sGS 371.1). Dieses schreibt vor, dass auch Teilzeitbeschäftigten ganze Zulagen ausgerichtet werden (vgl. Art. 47 KZG i.V.m. Art. 13 Abs. 3 FamZG des Bundes, SR 836.2).

  • Soziale Sicht: Es soll eindeutig am falschen Ort gespart werden: Bei Mitarbeitenden mit Kindern, und bei Mitarbeitenden, die wenig verdienen. Dazu ein erfundenes, aber realistisches Beispiel: Frau Muster, alleinerziehend, 3 Kinder, Reinigungsmitarbeiterin 50%, Monatslohn brutto Fr. 2000.. Dieses Jahr erhält sie von der Stadt noch Zuschläge von Fr. 300. pro Monat, ab Januar 2015 sollen es nur noch Fr. 150. pro Monat sein. Das ergibt eine Kürzung der Gesamtentschädigung um satte Fr. 1800. pro Jahr, und dies bei einer Mitarbeiterin, die finanziell alles andere als auf Rosen gebettet ist. Das Beispiel zeigt: Diese Sparmassnahme ist unsozial.

  • Personalpolitische Sicht: Der Stadtrat soll qualifizierte Mitarbeitende gewinnen und erhalten (Art. 5 PersR). Bei Sparmassnahmen, die das Personal betreffen, sollte der Stadtrat deshalb stets die folgende Überlegung tätigen: wenn der Spareffekt klein ist, der Ärger bei den Mitarbeitenden aber gross, dann lässt man die Sache vernünftigerweise bleiben. Ansonsten verliert die Stadt ihren Ruf als verlässliche, vorbildliche und attraktive Arbeitgeberin, und sie riskiert, gute langjährige Mitarbeitende zu verärgern und letztlich zu verlieren. Die vorgesehene «Sparmassnahme» kann sich deshalb mittel- und langfristig kontraproduktiv auswirken, auch finanziell.

  • Zeitliche Sicht: Die angekündigte Sparmassnahme soll äusserst kurzfristig umgesetzt werden. Es wird nicht einmal eine dreimonatige Frist eingehalten (Ankündigung am 27. Oktober 2014, geplantes Inkrafttreten am 1. Januar 2015). Ein anständiger Umgang mit dem städtischen Personal ginge anders. Der Zeitpunkt der Massnahme ist auch daher unverständlich, weil das Personalreglement aufgrund der Gemeindevereinigung ohnehin neu aufgelegt werden muss.

In diesem Zusammenhang bitte ich den Stadtrat um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Hat der Stadtrat den Personalverband «frühzeitig und umfassend informiert» (Art. 4 PersR), bevor diese Sparmassnahme beschlossen wurde?

    1. Falls nein: Warum nicht? Entspricht dies der Vorstellung des Stadtrats von einer «vorbildlichen Sozialpartnerschaft» (Art. 3 i.V.m. Art. 5 lit. c PersR) ?

    2. Gedenkt der Stadtrat, den Personalverband bei den bereits angekündigten weiteren Sparmassnahmen frühzeitig zu konsultieren, dessen Stellungnahmen bei der Entscheidfindung zu berücksichtigen und die Mitarbeitenden frühzeitig zu informieren?

  2. Wie viele Mitarbeitende sind von der Kürzung der Zuschläge insgesamt betroffen? Bei wie vielen davon handelt es sich um Teilzeitbeschäftigte?

  3. Welcher Spareffekt resultiert aus dieser Massnahme insgesamt?

  4. Welcher Spareffekt resultiert aus der Kürzung des Zuschlags für Teilzeitschäftigte?

  5. In seiner Antwort vom 19. Februar 2014 auf die Interpellation des Erstunterzeichners zum Thema Mindestlöhne schrieb der Stadtrat, dass im Bereich Reinigungspersonal Schulliegenschaften acht teilzeitbeschäftigte Personen weniger als Fr. 4000. pro Monat verdienen. Diese Löhne würden derzeit überprüft. Diesbezüglich stellen sich folgende Fragen:

    1. Ist sich der Stadtrat bewusst, dass die Kürzung der Zuschläge für Mitarbeitende mit tiefen Löhnen besonders stossend ist und zu Härtefällen führen kann?

    2. Wurden die Löhne der betroffenen Mitarbeiterinnen wie angekündigt überprüft bzw. auf eine angemessene Höhe angepasst? Falls ja: ist sich der Stadtrat bewusst, dass eine Kürzung der Zuschläge die Situation dieser Mitarbeiterinnen wieder verschlechtern würde?

  6. Was sagt der Stadtrat zur Auffassung des Unterzeichners, dass sowohl die Begrenzung des Zuschlags zur Kinder- und Ausbildungszulage auf Einkommen bis maximal Fr. 100’000. als insbesondere auch dessen Ausrichtung im Verhältnis zum Beschäftigungsgrad einer Anpassung des Personalreglementes bedürften, dessen Zuständigkeit beim Stadtparlament liegt?

  7. Familienfreundliche Arbeitgeber sind das Gebot der Stunde, um gut qualifizierte und motivierte Mitarbeitende zu halten und zu gewinnen (Stichwort Fachkräftemangel). Andere Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitenden beispielsweise Kinderbetreuungsmöglichkeiten oder einen finanziellen Beitrag dazu. Was macht die Stadt Wil?

  8. Wie verhält sich die angekündigte Sparmassnahme zum Anspruch der Stadt Wil, eine kinderfreundliche Gemeinde zu sein bzw. mit der Bewerbung für das entsprechende Unicef-Label ?

  9. Ist der Stadtrat bereit, auf die angekündigte Sparmassnahme zurückzukommen?

Wil, 5. November 2014

Erstunterzeichner: Kilian Meyer

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