Polittalk vom 20. November 2025
Seit einiger Zeit verwenden bestimmte Politiker diesen Begriff, wenn es um finanzielle Themen, wie Budget oder Jahresrechnung geht. Als «Gratisbürger» werden jene Personen definiert, die steuerpflichtig wären, jedoch keine Steuern bezahlen. Dabei wird sehr abwertend suggeriert, dass diese Menschen auf der faulen Haut liegen und sich von anderen bedienen liessen.
Schlagworte verdecken meist komplexe Lebenssituationen. Der abwertende Begriff verleugnet die harte Realität, dass von diesen knapp 1300 Menschen in Wil viele arbeiten, jedoch arm sind, weil das erworbene Einkommen unter der definierten Armutsgrenze liegt. Viele putzen unsere Spitäler, Banken und Läden. Andere waschen in Restaurants das Geschirr ab oder kümmern sich um ihre Kinder. Sie erledigen Arbeiten, die viele von uns vermeiden und dies mit kleinem Lohn. Einige Menschen sind von Geburt an beeinträchtigt oder werden im Laufe des Arbeitslebens krank und können dank der IV ein würdiges Leben führen. Ältere Menschen mit einer kleinen Rente, welche in teuren Alterseinrichtungen leben und Junge, die nach einer Lehre oder der Matura ein Studium absolvieren gehören vermutlich auch zu dieser Gruppe.
Es gibt vielfältige, ja oft nachvollziehbare Gründe, die zu einer Zugehörigkeit zu den «Gratisbürger:innen» führen. Die meisten von ihnen sind bemüht, ihre Lebensaufgaben gut zu erfüllen und auch möglichst schnell aus der Ausbildungssituation oder aus der Armut heraus zu kommen. Viele «GratisbürgerInnen» verdienen ihr Geld mit harter Arbeit, haben eine kleine Altersrente oder erwerben im Studium eine Qualifikation und werden durch das Unwort «Gratisbürger» zu Unrecht als Schmarotzer hingestellt. Es wäre wünschenswert, wenn auf diesen undifferenzierte Begriff verzichtet würde.
